
Endlich Sommerpause. Endlich Zeit, um sich zu erholen. Verletzungen auszukurieren und zu neuer Stärke zu finden. Nach acht WM Stops endete mit dem Rennen in Assen die erste Hälfte der MotoGP Saison 2023. In sechs Wochen geht es in Silverstone mit der Saison weiter. Nutzen wir die Sommerpause um ein kleines Zwischenfazit zu ziehen. Was war gut? Wo ist noch Luft nach oben? Wer waren die Gewinner? Wer waren die Verlierer?
Sprintrennen – Entertainment vs. Belastung
Die gravierendste Neuerung der laufenden MotoGP Saison war wohl die Einführung der Sprintrennen. Viel wurde im Vorfeld vermutet und spekuliert, wo die Rennen integriert werden und welchen Effekt sie haben. Vorweg ihren Grundgedanken “die Spannung zu erhöhen” haben die Sprintrennen allemal erfüllt. Auch dass die Zuschauer vermehrt am Samstag den Weg zur Strecke oder vor den TV finden, scheint gelungen zu sein. Also alles in allem eine positive Veränderung? Jein. Von Beginn an stand der Euphorie für die Sprintrennen die zusätzliche Belastung gegenüber. Viel wurde im Vorfeld vermutet, wie es dann gleich zu Beginn der Saison 2023 kam, hatten bestimmt nicht mal die eingefleischten Pessimisten auf dem Zettel.
Gleich zu Beginn füllte sich das Lazarett an verletzten Fahrern rasend schnell. Schon nach dem ersten Saisonrennen in Portimao fehlten vier MotoGP Fahrer. Es sollten noch mehr werden. Die Verletzungen ziehen sich bis jetzt durch die gesamte Saison. Durch die reduzierte Rundenanzahl in den Sprintrennen sind die MotoGP Fahrer schnell verleitet ein höheres Risiko zu gehen. Die Fahrer müssen in kurzer Zeit einen guten Platz rausfahren, um nicht wertvolle Punkte liegen zu lassen. Höheres Risiko und mehr Rennen heißt auch mehr Verletzungen. Hoffen wir, dass es bald Gespräche gibt, um etwas Druck aus dem aktuellen Prozedere zu nehmen.
Hersteller – Entwicklung vs. Stillstand
Was sich in den vergangenen beiden Saisons schon angekündigt hat, wurde in der ersten Saisonhälfte bestätigt – Ducati ist eine Übermacht. Aktuell führt der Hersteller aus Borgo Panigale die Konstrukteurs-Weltmeisterschaft mit 285 Punkten an. Dahinter liegen KTM (153 Punkte) und Aprilia (121 Punkte). Abgeschlagen auf den beiden letzten Rängen liegen Honda und Yamaha, mit nicht mal jeweils hundert Punkten.
Natürlich sammelt Ducati als Hersteller auch mehr Punkte, da sie vier Teams à acht Fahrer beliefern. Aber, wenn sie in den letzten Jahren nicht so gut gewesen wären, dann würden sich die Kundenteams auch nicht für Ducati entscheiden. Ducati galt früher als unfahrbar. War es doch nur Casey Stoner vergönnt, mit der roten Diva Rennen und Titel zu gewinnen. Selbst Valentino Rossi musste sich der Diva geschlagen geben.
Der Wechsel von Gigi Dall’Igna zu Ducati änderte alles. Er ist die treibende Kraft hinter den Innovationen. Er hat die Ducati nicht nur fahrbar und konkurrenzfähig, sondern auch vermeintlich unbesiegbar gemacht.
Ducati hat es geschafft, umzudenken. Ein Motorrad zu entwickeln, welches zu jedem Fahrer passt. Etwas, was Honda und auch Yamaha noch bevorsteht. Aktuell haben die japanischen Hersteller den Anschluss verpasst. Es scheint, als seien sie stehen geblieben. Es fehlt ihnen an Mitteln und Ideen. Die sechs Wochen Sommerpause werden vielleicht nicht die Kehrtwende bringen, aber vielleicht einen ersten und auch zweiten Schritt dorthin.
Marc Marquez – Ehrgeiz vs. Vernunft
Mit seiner Honda ist Marc Marquez nicht konkurrenzfähig. Schon in den vergangenen Jahren stand die Honda in der Kritik. Es fehlt an Performance, Grip und Gefühl für den Fahrer. Hinzu kommen noch Elektronik-Aussetzer und ein mangelndes Konzept bei der Aerodynamik. Um es mal ganz platt zu formulieren – Die Honda ist ein Totalausfall.
All das versucht Marc Marquez mit seiner fahrerischen Klasse auszugleichen. Immer wieder stößt er dabei an seine Grenzen und überschreitet diese auch immer wieder. Der traurige Höhepunkt war der Deutschland GP auf dem Sachsenring. Bei seinen letzten elf Starts blieb Marc Marquez ungeschlagen. Wie kein anderer dominierte der Honda Fahrer am Sachsenring. Diese Dominanz endete in dieser Saison im Kiesbett. Mit fünf Stürzen stellt er einen persönlichen Rekord auf. Am Ende startete Marquez nicht am Sachsenring.
Mit Verletzungen ging es zum letzten Rennen vor der Sommerpause nach Assen. Auch dort besuchte der Honda Fahrer das Kiesbett. Via Social Media gab er am Sonntag bekannt, dass er auch dieses Mal nicht am Rennen am Sonntag teilnehmen wird. Wie schon am Sachsenring zog er zurück. Als Grund nannte er seine Verletzungen – Knöchelverletzung, Fingerbruch und eine gebrochene Rippe. Marc Marquez war nicht bereit, noch mehr zu geben. Es schien, als hätte er aus den letzten Stürzen gelernt. Gelernt, dass es sich nicht lohnt zu viel zu geben, wenn es aussichtslos ist. Ist es Realismus oder doch eine Art von Aufgabe?
Die beiden letzten MotoGP Rennen zeigten, dass die Beziehung zwischen Marc Marquez und Honda nicht nur angespannt ist, sondern einen Bruch erlebt hat. Klar zu sehen war es in den Reaktionen von Marquez. Da wird nach einem Save am Sachsenring der Honda der Mittelfinger gezeigt oder nach einem Sturz die Maschine nur noch mit Verachtung bestraft. Der Ehrgeiz und Kampfgeist schwindet. Der Vertrag von Marquez läuft noch bis Ende 2024, ob dieser noch bis zum Ende besteht, steht in den Sternen. Vielleicht gibt es noch ein Schlupfloch, um den Vertrag vorzeitig zu beenden, bevor es in noch mehr Verletzungen gipfelt.
Die Sommerpause hat begonnen. Sechs Wochen durchatmen und Kräfte sammeln. Die nächsten 12 Rennen warten schon.
Eure Miss MotoGP