
Die MotoGP steht für Sport auf dem höchsten Niveau. Dort kommen die besten Fahrer der Welt zusammen, um ihren Sport zu leben, sich gegenseitig zu messen und Menschen aus aller Welt mit ihrem Können zu begeistern. Es ist ein Rennzirkus, bei dem hunderte Menschen hinter und vor den Kulissen arbeiten. Wie ist es in der MotoGP zu arbeiten? Wie kommt man dort hin? Wie ist es als Frau dort zu arbeiten? Ein paar Fragen kann ich euch beantworten, denn ich durfte eine tolle Frau interviewen – Andrea Schlager, Reporterin bei Servus TV.
1. Der Rennsport begleitet dich schon seit vielen Jahren. Dein erster Berührungspunkt war die Formel1. Ich bin in der Nähe des Salzburg-Rings aufgewachsen. Daher hat die Formel1 für mich immer Sommer, Spannung, Aufregung und Entertainment bedeutet. Es war immer was los, wenn der Rennzirkus gastiert hat. Das Wichtigste aber, es bedeutete eine schöne Zeit mit meinen Freunden. In jungen Jahren habe ich als Ticketkontrolleurin begonnen. Ich muss so ungefähr 15 Jahre gewesen sein. Im Laufe der Zeit ist man dann als sportbegeisterter Mensch immer mehr hineingewachsen, auch die Aufgaben haben sich verändert. Dann ist man im Sommer immer mitgereist und hat in ganz Europa gearbeitet. Es war eine schöne Zeit.
2. Du konntest die beiden größten Klassen des Motorsports kennenlernen. Du hast in der Formel1 gearbeitet und tust dies nun auch in der MotoGP. Gibt es Unterschiede oder auch Ähnlichkeiten zwischen den beiden Klassen? Ja, es gibt riesengroße Unterschiede. Dafür muss ich etwas ausholen. (lacht) Die Formel1 ist im Vergleich etwas elitärer, cleaner. Dort ist es nicht für jeden möglich ins Fahrerlager zu gelangen. In der MotoGP hingegen können viel mehr Leute ins Fahrerlager. Das heißt, die MotoGP ist im Vergleich offener. Es ist einem aber auch möglich, schneller eine Verbindung zu den Fahrern und Teams aufzubauen. Es herrscht einfach eine ganz andere Stimmung. Wenn man dann aber noch die Superbike Klasse erlebt, ist es nochmal ein ganz anderes Gefühl. Ich durfte es ein paar Mal erleben und muss sagen, dass die Superbike Klasse ursprünglicher ist. Dort erlebt man eine Atmosphäre, wie man sich den Motorsport vorstellt. Die MotoGP ist anders, ich würde aber nicht sagen, dass eine Klasse besser ist als die andere Klasse. Jede hat seine Vorzüge und seinen Reiz.
3. Gab es Momente in der MotoGP, die dich nachhaltig beeindruckt haben? Was dich noch heute berührt oder begeistert? Was dich begleitet in so einem Sport, ist das permanente Risiko. In unserem ersten Jahr ist leider das Schlimmste eingetreten, mit dem tragischen Unfalltod von Luis Salom. So etwas mitzuerleben, wie die Zeit plötzlich stehen bleibt. Wie es keiner fassen kann, obwohl es allgegenwärtig ist. Es ist ein Sport der hochgefährlich ist, wo jeder Einzelne mit seinem Leben spielt und dann passiert es plötzlich wirklich. Das war einfach ganz furchtbar. Dann aber zu sehen wie die Fahrer, die Teams mit den Geschehnissen umgehen, das hat mich bewegt und auch nachdenklich gestimmt. Ich konnte Dinge verstehen, die ich davor nicht verstehen konnte. Nämlich das „Warum sie weitermachen“, „Warum sie wieder auf das Motorrad steigen“, „Warum ein Paolo Simoncelli zurückgekommen ist und ein eigenes Team betreibt.“, dass konnte ich dann besser verstehen.
4. Die Gefahr ist ein ständiger Begleiter. Wie erlebst du diese? Das Schlimmste für mich, ist die Stille. Am aller längsten war es für mich 2018, als Michele Pirro seinen schlimmen Sturz hatte. Er ist sehr lange liegengeblieben und man ist in dem Moment vom Schlimmsten ausgegangen. Ich bin mit ihm befreundet und dann kam dieser Moment, wo es still wird. Da weißt du einfach jetzt ist es ernst. Oft realisiert man es auch gar nicht, was da grade passiert. So ging es mir bei dem Sturz von Tom Lüthi 2016 in Brünn. Er ist schwer gestürzt und ich stand am Kommandostand. Tom war bewusstlos und alle sind reingekommen. Obwohl ich den Sturz gesehen habe, stand ich vor seiner Box und habe auf ihn gewartet. Das ist Wahnsinn wie man darauf reagiert.
5. Was ist mit den positiven Momenten? Dass es bei all der Konkurrenz trotzdem extrem lustig ist. Am Ende der Saison, wenn die Feier in Valencia stattfindet, da ist einfach jeder froh, dass es gut ausgegangen ist. Das ist immer eine Gaudi. Man ist an diesem Abend froh, dass es vorbei ist, um sich dann wieder umso mehr auf den Saisonstart zu freuen. Oder nach der Sommerpause, wenn man wieder ins Fahrerlager zurückkehrt. Das Zurückkommen fühlt sich immer auch wie Heimkommen an. Es sind die schönen Momente, welche dich durch das Jahr begleiten. Man reist einfach mit einer großen Gruppe und ist einfach zusammen. Viele nennen es Familie. Ich weiß jetzt nicht, ob ich es so sagen würde, aber man ist einfach zusammen. Das ist sehr speziell und schön.
6. Dann vielleicht wie eine Klassenfahrt? Ja genau. Es trifft es ganz genau. (lacht)
7. Wie würdest du die MotoGP verfolgen? Im TV schauen oder doch lieber an der Rennstrecke mitfiebern? Man sollte es einmal wirklich sehen, wie es dort läuft. Jeder sollte einmal an der Rennstrecke gewesen sein. Ich habe einmal einen Taxi-Ride mit Randy Mamola machen dürfen. Es war so cool. Ich muss ehrlich gestehen, vor der Ausfahrt mit Randy hatte ich panische Angst. Ich habe schon viele verrückte Sachen gemacht, aber da war ich immer gesichert. Die Möglichkeit gibt es auf einem Motorrad nicht. Die Angst einfach loszulassen, sich nicht festhalten zu können, war sehr groß. Da hatte ich kein gutes Gefühl. Vorab wurde ein medizinischer Check vorgenommen und es gab eine Einführung. Als ich dann aufgestiegen bin, war alles gut und die Angst verflogen.
8. Wie schnell wart ihr? Auf der Graden war es 270 km/h und es nimmt dir einfach nur die Luft zum Atmen. Es war in Barcelona und ich kenne die Strecke sehr gut. Aber die Grade kam mir endlos vor. Ich habe mich immer nur gefragt, wann endlich die erste Kurve kommt. Randy konnte auch sehr gut einschätzen, was er machen kann und was nicht. Er merkt es den Leuten schnell an und richtet sich auch danach, sodass man da auch ein gutes Gefühl hat. Es war wirklich sehr cool und ich kann es nur empfehlen. Wenn man die Chance hat, sollte man es machen.
9. Oft trifft man auf die Annahme, dass in männeraffinen Berufen ein rauer Ton herrscht. Ist das in der MotoGP auch so? Ich würde sagen, generell herrscht im Sport ein anderer Ton. Ich kenne es ja nicht anders, da ich aus dem Sportbereich komme. Da kann man nicht zimperlich sein. In der MotoGP arbeiten sehr wohl viele Frauen. Oft sieht man diese nur nicht. Du hast bei allen Sendern mittlerweile weibliche Reporter oder Moderatoren. Es gibt weibliche Fotografen, Pressesprecher oder sogar Teammanager. Es sind tolle Frauen unterwegs, sodass ich da nicht alleine bin. Aber was man schon merkt, wenn man drei Wochen in Übersee unterwegs ist, dann ist man auch sehr froh, wenn man sich mal eine Auszeit nimmt. In den letzten Jahren habe ich mir da immer ein paar Tage mit einer guten Freundin auf Bali genommen. Da ist man froh, dass man mal ohne die Jungs ist. Ich liebe sie, aber manchmal ist es einfach auch zu viel des Guten.
10. Dann hat sich das Bild also in den letzten Jahren sehr verändert? Ja, das glaube ich auch. Aber global gesehen, denke ich, dass es immer noch der Anfang ist. Die Tür ist jetzt erst mal auf, es muss wachsen. Nun heißt es, dass sich die Frauen beweisen müssen. Wichtig ist, dass du den Job bekommst, weil du ihn kannst und nicht, weil du eine Quote erfüllst. Es ist kontraproduktiv, wenn dann nicht geliefert wird. Dann ist es für alle schlecht, denn das was erreicht wurde ist dann leider hinfällig. Es ist ein schwieriges Thema.
11. Die Frauenquote? Es ist ein ganz heikles Thema, da man oft auch als Stutenbissig abgestempelt wird. Das soll es aber überhaupt nicht sein. Ich würde mir wünschen, dass mehr Frauen diesen Weg gehen und sich dort durchkämpfen. Es ist immer noch ein Kampf, aber es wäre schön zu sehen, dass immer mehr gute Frauen nachkommen. Wir sind immer noch zu wenig um weniger Gute mitzuschleifen. Ich bin jetzt 38 Jahre und wenn ich an meine Anfänge zurückdenke, liegen da Welten dazwischen, wenn es um Akzeptanz ging als Frau in den Sport zu wollen. Mir wurde auch das ein oder andere Mal unschöne Dinge gesagt und ich habe es mit einem Lächeln weggesteckt. Damals dachte ich oft „Das werden wir schon sehen“. Ich bin froh darum, dass ich damals so damit umgegangen bin, denn sonst hätte ich es nicht geschafft. Viele Aussagen, auf die man trifft, sind auch gar nicht böse gemeint. Es ist nur das allgemein herrschende Bild einer Frau im Sport gewesen, damals. Ich denke, dass die Situationen auch immer die Spreu vom Weizen trennen. Man muss sich da durchkämpfen und es zeigt sich dann auch, ob man das Ganze wirklich will. Wenn man den Weg geht mit allen Herausforderungen, dann wollte man es wirklich und ist auch mit dem vollsten Herzen dabei. Vielleicht kann man das für sich selbst auch als Referenz nehmen. Wenn du so dahinterstehst, dann gibst du auch nicht auf. Sportberichterstattung ist auch mit Entbehrungen verbunden und da sollte man hinter dem stehen was man tut. Entweder man hat ein riesengroßes Wissen oder genügend Euphorie, es reicht halt nicht nur eine Frau zu sein, um sein Ziel zu erreichen.
12. Wie sieht dein Rennwochenende aus? Am Donnerstag ist unser Media-Tag. Da werden Interviews geführt, O-Töne geholt, viel besprochen. Der Tag geht immer schnell rum, da immer viel passiert. Freitag bin ich dann meistens im TV Compound, da man dort am meisten sieht auf den Monitoren. Oder ich bin in der Pitlane bei den Teams, um dort auch viel mitzubekommen. Am Freitag ist dann ebenfalls ein Media Scrum und dann starten wir mit der Vorbereitung auf den Samstag. Der Samstag beginnt mit technischen Checks, dass mit dem Live-Gang auch alles passt und dann mache ich meine Grid-Interviews für Sonntag aus. Samstagabend machen wir dann immer unsere Sendebesprechung und ich bereite mich auf Sonntag vor. Sonntag ist dann Rennen und Live Berichterstattung. Das ist mein Rennwochenende.
13. Der Motorradrennsport ist sehr hektisch und laut, wie schaffst du dir einen Ausgleich? Meistens mit relativ viel Sport. Ich habe ein Pferd und trainiere Dressur. Ich spiel zudem noch Tennis und versuch auch viele Freunde zu treffen und die freie Zeit auch mit meiner Familie zu verbringen. Während Corona natürlich etwas eingeschränkter. Der Ausgleich ist mir wichtig. Gerade nach stressigen Wochenenden in der MotoGP ist es schön in der Natur zu sein und abschalten zu können. Einfach keinen Lärm, um sich zu haben und in der Natur zu sein.
14. Was macht in Ihren Augen einen guten Sportmoderator aus? Einen guten Sportmoderator zeichnet für mich aus, dass er mit Liebe und Euphorie bei der Sache ist. Das er aber auch die Ernsthaftigkeit nicht außer Acht lässt und top vorbereitet ist. Man sollte sich selbst aber auch nicht zu ernst nehmen, das ist auch für Live Sport sehr wichtig, denn man ist weit entfernt von der Perfektion. Man sollte bei sich selbst sein.
Das Interview mit Andrea hat mir nicht nur sehr viel Spaß gemacht und einen Einblick in der Arbeitswelt „MotoGP“ gewährt, sondern es hat mir auch die Möglichkeit gegeben eine tolle Frau kennenzulernen. Sie gehört zu den Frauen die mit Ihrer Leistung und ihrer Art neue Wege beschritten, sich durchgesetzt und den Weg für zukünftige Frauen geebnet haben. Lange waren Frauen in der MotoGP schmückendes Beiwerk. Heute sind sie Reporterin, Fotografin, Fahrerin, Pressesprecherin oder Teammanagerin und haben damit die Denkweise Vieler geändert.
Eure Miss MotoGP