Talent ist…

Was bedeutet eigentlich Talent? Laut Duden lässt sich Talent wie folgt definieren: Talent ist eine Begabung, welche jemanden zu einer überdurchschnittlichen Leistung befähigt. Du machst also etwas besser als Andere und ragst aus der Masse heraus.

Aber was hat dieser Deutschexkurs mit der MotoGP zu tun? Um in der MotoGP zu fahren braucht es ohne Frage Talent. Um aber aus der Masse herauszuragen und erfolgreich zu sein, braucht es mehr. Es braucht Ehrgeiz, Professionalität, Leichtigkeit und vor allem Spaß am Fahren. So viele talentierte Fahrer wollen in die Motorradweltmeisterschaft und nur die wenigsten schaffen den Sprung dort hin. Die Plätze in Nachwuchsklassen sind begehrt und hart umkämpft, aber es ist trotzdem keine Garantie, dass man später in der MotoGP oder einer anderen Weltmeisterschaft fahren wird. Dazu braucht es dann die oben erwähnten Punkte und auch wenn es sich platt anhört, eine Portion Glück. Glück im Sinne von den Richtigen gefördert und gefordert zu werden und zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.

In meinen Augen vereint Lennox Lehmann alle diese Punkte. Nur aus den Erzählungen heraus, hatte ich geahnt, dass Lennox über ein enormes Talent verfügt. Das hat er am vergangenen Wochenende gezeigt, denn es fanden die ersten beiden Rennen des ADAC Junior Cups powered by KTM statt.

Am Donnerstagabend machten sich Lennox und seine Familie auf den Weg nach Assen. Dort sollten die ersten Rennen stattfinden, im Zuge der Superbike Weltmeisterschaft. Es war eine lange Fahrt von Sachsen aus und endete am nächsten Morgen auf einem Campingplatz neben dem Fahrerlager. So früh gab es keinen Zugang zu dem Gelände und so wurde dort das vorübergehende Nachtlager aufgeschlagen. Nach einer kurzen Nacht, gab es dann endlich Zugang zum Fahrerlager und das war auch der Startschuss zum Rennwochenende für Lennox, denn es ging direkt los. Nach der technischen Vorbesprechung ging es für die Fahrer direkt mit den beiden Qualifyings los. Für Lennox war es neben der Zeitenjagt auch ein Kennenlernen, denn er ist noch nie in Assen gefahren. Für ihn war alles neu und er musste schnell lernen, denn die Zeit lief gegen ihn. Die Qualifyings liefen und er hatte nur jeweils 30 Miunten Zeit, um eine gute Startpositionen für die Rennen am Samstag und Sonntag rauszufahren. Lennox nutzte jede Sekunde um sich – so gut es auf einer neuen Strecke geht – in eine gute Position zu bringen. Mit einer Zeit von 2:02.537 erreichte er den siebten Startplatz. Eine gute Ausgangssituation für das erste Rennen. Nach einer schnellen Analyse ging es auch schon weiter mit dem zweiten Qualifying. Es gab nicht viel Zeit um durchzuatmen und runterzukommen. Vielleicht brauchte es das auch nicht, denn Lennox konnte seine Bestzeit um eine Sekunde verbessern. Leider war er damit aber nicht alleine. Auch die anderen Fahrer wurden besser, sodass für ihn nur ein neunter Startplatz für das Rennen am Sonntag übrigblieb. Von Frustration oder gar Enttäuschung war aber nichts zu spüren. In beiden Qualifyings wurde eine Top Ten Platzierung erzielt, was für einen Rookie großartig ist. Zudem wusste Lennox, wo er auf der Strecke wertvolle Sekunden hatte liegen lassen und wo er sich Hilfe holen konnte. Sein Weg führte ihn zu Max Kappler vom Freudenberg Racing Team. Lennox hatte Max vor geraumer Zeit kennengelernt und fragte ihn einfach nach Hilfe. Der Supersport-300-Fahrer nahm sich Zeit und konnte einige wertvolle Tipps geben, wie er mit manchen Kurven besser umgehen konnte. Lennox war zuversichtlich und voll fokussiert für den nächsten Tag und das bevorstehende Rennen.

Samstag perfektes Wetter in Assen, das erste Rennen konnte starten. Es fand im Anschluss an die Qualifyings der Superbike- und Supersport-WM statt. Es war kurz vor 16 Uhr und es ging wie bei den Großen in die Startaufstellung. Lennox war zu diesem Zeitpunkt voll im Tunnel und konzentriert, nichts erinnerte mehr an den Jungen, welcher noch vor Stunden mit den anderen Nachwuchsfahrern durch das Fahrerlager gerollt ist. Jetzt nahm ein professioneller Motorradrennfahrer auf der KTM RC390 Cup Maschine Platz.  Das erste Rennen lief gut. Lennox konnte sich schnell mit einer Gruppe aus sechs Fahrern vom Rest des Starterfeldes absetzten. Er sammelte erste Führungskilometer und fuhr zudem auch die schnellste Rennrunde mit 2:00.105. Alles schien perfekt, bis zu den letzten Rennrunden. Denn dann begann die Windschattenschlacht, welche wir alle aus der Moto3 kennen. Einen solchen Kampf um die Positionen mit ständigen Wechseln, kannte Lennox bis dato aus den anderen Rennserien nicht. Er ließ sich überrumpeln und am Ende fuhr er als fünfter über den Zielstrich mit 0,5 Sekunden Rückstand auf den Sieger. Es war noch Luft nach oben und mit Blick auf das Podest, kündigte er gegenüber Dario Giuseppetti etwas an. „Morgen stehe ich auf dem Podest.“ Lennox kannte seine Fehler und wollte daran arbeiten.

Der Ehrgeiz war also geweckt und am nächsten Tag sollte Großes folgen. Bei dem zweiten Saisonrennen des ADAC Junior Cups powered by KTM war Lennox von Beginn an in der Führungsgruppe. Auch diesmal konnte er Führungskilometer sammeln und verbesserte nochmals seine schnellste Rennrundenzeit auf 1:58.828 – die zweitschnellste Zeit im Feld. Aber etwas war anderes. Er war vorbereitet für die Windschattenschlacht. Lennox brachte sich in eine aussichtsreiche Position und konnte sich gemeinsam mit zwei anderen Fahrern absetzen. Mit nur 0.253 Sekunden Abstand auf den Sieger fuhr Lennox seinen ersten dritten Platz ein. Er konnte an diesem Tag das Podium erklimmen und er tat das mit Ansage.

Ein rundum perfektes Wochenende mit den ersten beiden Saisonrennen ging zu Ende.  Es war erfolgreich und Lennox hat unter Beweis gestellt, dass wir alle noch großes von ihm erwarten dürfen. Lennox hat alle mit seiner Professionalität, seinem Ehrgeiz und der Leichtigkeit, wie er mit der neuen Situation umgegangen ist, überrascht und begeistert.

Ein Talent und vielleicht noch mehr.

Eure Miss MotoGP

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©Nico Schneider

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©Tobias Lehmann

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