
Lennox Lehmann ist einer von 20 Fahrern des ADAC Junior Cups. Ein Förderfahrer des ADAC. Eine große Hoffnung für den deutschen Motorradrennsport. Ein Ausnahmetalent, das an diesem Wochenende sein Heimrennen am Sachsenring fährt.
Vor dem Campingwagen steht der Fernseher, das Rennen der Moto2 läuft. Gebannt schauen Freunde und Familie zu. Nebenbei wird Mittag gegessen. Alles wirkt wie bei einem normalen Campingausflug, würde da nicht die Lederkombi hängen und die KTM RC 390 Cup unter dem Pavillon stehen. Samstag war das zweite Qualifying. Für Lennox Lehmann lief es mehr als gut. Er gibt den Ton an. Nicht nur auf dem Sachsenring, sondern schon in der gesamten Saison des ADAC Junior Cups. In seinem zweiten Jahr im Cup dominiert er bereits die Klasse. „Es ist schon cool zu gewinnen, aber ich versuche den Spaß nicht zu verlieren“, sagt er lächelnd. Und das merkt man ihm in jeder Sekunde an, ob auf der Rennstrecke oder während der Vorbereitung. Ohne Helm ist Lennox ein Junge. 13 Jahre. Noch nicht erwachsen und doch ein Motorradfahrer. Ein Nachwuchsprofi mit Helm.
Hinter dem Banner strömen die Fans zu ihren Autos. Die Fahnen sind eingepackt, das letzte Bier getrunken, ein langes Motorradwochenende ist für sie vorbei. Für Lennox beginnt nun erst der Rennsonntag. Den ganzen Tag hat er gewartet. Die Fans nicht. Sie haben auf ihre Stars gewartet und die haben sie nun gesehen. Die Familien und Freunde nehmen Platz auf der Tribüne. Sie warten gebannt auf den Start. Eine Mischung aus Vorfreude und Anspannung liegt in der Luft. Sie lauschen den Kommentaren über die Lautsprecher. Die Leinwand ist aus. Der Nachwuchs sitzt hinter einem Banner, was Privatsphäre schaffen soll und doch eine Grenze erzeugt.
Noch 40 Minuten bis zum Start. Langsam weicht die Gelassenheit. Die Campingatmosphäre verschwindet, die Vorbereitung für das Rennen beginnt. Routiniert werden die letzten Checks vorgenommen. Alles nochmal mit dem Mechaniker besprochen. Mit der Taschenlampe wird in den Tank geleuchtet, um den Stand zu checken. Lennox verschwindet im Wohnwagen, es ist Zeit sich umzuziehen. Jetzt muss alles passen, jede Abweichung verursacht Unruhe. So wie Samstag, als kurz vor der Ausfahrt zum Qualifying 2 die Protektoren verrutschten und die Lederkombi nicht mehr passen wollte. Die Nervosität war Lennox ins Gesicht geschrieben. Immer wieder zog er sich die Lederkombi an und wieder aus. Lennox läuft hin und her. Streicht sich immer wieder durchs Gesicht. Seine Anspannung fällt, als die Lederkombi perfekt sitzt. Dieses Mal lief alles reibungslos. Die Lederkombi sitzt wie eine zweite Haut.
Durch den Wechsel ins Freudenberg Team wurde alles professioneller. Eine neue Stufe wurde erreicht. Maßangefertigte Lederkombi, eigener Mechaniker, erste Autogrammstunden, Fahrerpräsentation in der Karthalle. Mit der Professionalität kommt auch der Anspruch, mit dem Lennox sehr gut umgehen kann. Das zusätzliche Trainingsprogram macht ihm Spaß, er weiß wofür er es tut, es lohnt sich. Mit vier Siegen ist er am Sachsenring angereist. 40 Punkte Vorsprung zum Zweiten in der Gesamtwertung.
Noch 20 Minuten bis zum Start des Heimrennens. Das Fahrerlager setzt sich in Bewegung. Auf den Tribünen nehmen die wenigen Fans, Freunde und Familie Platz. Nur Lennox’s Mutter geht in den Wohnwagen. Sie begleitet ihn nicht. „Ich schaue das Rennen nur, wenn Lennox wieder neben mir sitzt. Dann weiß ich, es ist alles gut.” Die Gefahr fährt mit, das wissen beide Eltern. „Wir gehen sehr offen damit um. Lennox bekommt ja auch immer wieder die Kehrseite des Motorsports mit. Daher bringt es nichts daraus ein Geheimnis zu machen.“ Lennox Vater immer an seiner Seite, steht in der Startaufstellung neben ihm. Hält das Pit-Board, umsorgt ihn und lässt Lennox die Freiheit, welche er benötigt. Ohne Druck, nur mit Leidenschaft und Begeisterung zum Erfolg.
Nun kann es losgehen, nach der Einführungsrunde geht es auf die Pole Position. Das Safety Car geht hinter den Fahrern in Position. Der Streckenposten schwingt die grüne Flagge. Die Ampel geht aus, das Heimrennen ist gestartet. Lennox Lehmann liefert sich einen packenden Kampf mit dem Gaststarter Andreas Kofler, der sonst in der FIM CEV Repsol Serie an den Start geht, der spanischen Nachwuchsklasse. Von Runde zu Runde wechseln die Positionen. Mal biegt Lennox in die Kurve als Führender ein und in der nächsten Kurve wieder Andreas. Eng geht es zu. Nichts wird geschenkt. Keiner kann sich einen Vorsprung rausfahren. Bis zum Schluss. Nebeneinander geht es auf die Zielgrade zu. Den Zielstrich fest im Blick und ohne den Gegner aus den Augen zu lassen. Seite an Seite. Mit schlingenden Motorädern zum Foto-Finish. Nur 0,011 Sekunden, ein Bruchteil eines Wimpernschlages trennt Lennox vom Sieg, den er trotzdem holt, denn der Österreicher absolviert einen Gaststart im ADAC Junior Cup. Durch seine A-Lizenz fährt er außerhalb der Wertung. Damit gewinnt Lennox, trotz des zweiten Platzes, mit weit mehr als 10 Sekunden Vorsprung vor dem nächsten platzierten Fahrer des ADAC Junior Cups.
Fünf Siege aus fünf Rennen. Eine erfolgreiche Saison. Ein erfolgreicher Nachwuchsfahrer. Eine neue Hoffnung für den deutschen Motorsport. Ein Wimpernschlag aus dem Leben von Lennox Lehmann.